Halbzeitwert

holzDen Club in Halbweitweg kenne ich vom Namen her schon seit Ewigkeiten. Früher hatte ich in der Gegend häufiger zu tun und habe mehrfach an der Schlange der geparkten Autos vor der Clubtür gesehen, wie beliebt er war.
Meist regte dieser Anblick zu Diskussionen mit meinem damaligen Freund an. Meine Fragen lauteten, warum er einem Clubabend denn generell so ablehnend gegenüber stehe, warum er sich so einen Club nicht zumindest mal anschauen wolle. Seine gebetsmühlenartig wiederholte Antwort lautete, dass er sich nicht „beim Ficken zusehen lassen“ wolle. Ein leidiges, glücklicherweise abgeschlossenes, Thema.
Wie bekannt erhaitere ich mich nun mit dem Süßen und der Ex lässt sich vermutlich immer noch nicht „beim Ficken zusehen“.
Zurück zum Club in Halbweitweg. Den Kritikerstimmen im Internet nach zu urteilen, gehörte er zu dieser Zeit zu den besseren und beliebteren deutschen Clubs. Und auch heute noch taucht er oft in Datern einschlägiger Communities auf und ist – zumindest in meinem Kopf – eine feste Größe der hiesigen Clublandschaft.
Die Erzählungen des Süßen, der ja irgendwie alle Clubs kennt, taten ein Übriges.

Um endlich mal selbst zu schauen, ob das „weltbeste Clubbuffet“ tatsächlich keine Konkurrenz zu scheuen braucht und das Ambiente wirklich so speziell ist, sind wir an diesem Abend zu passender Zeit – und doch nach unserem Zeitempfinden früh – unterwegs nach Halbweitweg.

Die Autoschlange vor dem Club ist etwas kürzer als gewohnt, aber es ist ja auch noch früh. Dass der Clubeingang nun hinter dem Haus liegt, da im unteren Bereich inzwischen eine Kneipe oder so etwas eingezogen ist, hatte mir der Süße bereits erzählt.
Wir werden freundlich empfangen und ziehen uns zunächst um. Mit uns im Umkleidebereich befinden sich eine Frau mit schönem Namen sowie ein weiteres Paar. Er hat schon ein Fetish-Outfit an, ist kein unangenehmer Anblick, aber nichts für mich, weil 1. zu klein und 2. mit zu vielen Tätowierungen und Piercings versehen. Die dazu gehörende Dame läuft noch in normaler Kleidung herum.
Später sehen wir die beiden an der Bar wieder und ich stelle verwundert fest, dass es sich bei dieser normalen Kleidung (langer Rock und weißes Oberteil) wohl schon um das Cluboutfit gehandelt hat. Was trägt diese Frau sonst?
Aber zu diesem Zeitpunkt sind wir erst einmal selbst mit Umkleide- (der Süße) und Restaurierungsarbeiten (ich) beschäftigt und achten nicht weiter auf das Paar. Als wir fertig sind, gehen wir in den Buffet-Bereich. Hier herrscht schon leichter Betrieb, ein Paar, mehrere Solos und an einem Tisch ist sogar eine Gruppe aus mehreren Paaren versammelt. Ein Typ aus dieser Gruppe disqualifiziert sich direkt mit dem an uns gerichteten: „Hö hö, und da kommt der Nachtisch.“ Keine Ahnung, ob er mein „Und die Typen mit den dümmlichen Sprüchen sind schon da“, verstanden hat. Wir lassen ihn und seine Truppe links liegen und widmen uns dem Buffet.
Es ist nach Aussagen des Süßen deutlich kleiner als früher, alles in allem nicht schlecht, aber auf keinen Fall Weltklasse. Immerhin gibt es ein warmes vegetarisches Gericht, insgesamt nicht so schwere Gerichte wie anderswo und eine Dame, die im Essbereich für Ordnung sorgt.
Als wir uns darüber unterhalten, dass ich nicht unbedingt den Schafskäse essen will, weil er in Knoblauchmarinade eingelegt ist, kann sie mir sogar mitteilen, dass fast alle Gerichte mit Knoblauch versehen sind. Aaaaaaah! Der eher gute Eindruck ist somit schon wieder deutlich abgeschwächt. Warum muss man in Swingerclubs, in denen man Leuten doch deutlich näher als anderswo kommt, unbedingt Speisen mit Knoblauch oder Zwiebeln servieren? Das Thema hatten wir ja schon mehrfach und ich werde es nie verstehen!
Der Rest des guten Eindrucks geht am Tisch verloren als die versprochenen Servierten sich als Kleenex-Tücher (ja richtig, diese Abschminktücher) entpuppen. Ein Blick in die Runde zeigt mir, dass solche Pappverpackungen tatsächlich auf jedem Tisch stehen. Wären die Dinger beim Essen praktisch, hätte jedes Restaurant sie vermutlich im Angebot. Da sie dort Servierten bislang nicht verdrängt haben, ist davon auszugehen, dass diese eindeutig Vorteile mit sich bringen. Ich merke es schon in dem Moment, als ich mir eins von den Tüchern auf die Knie lege und es sofort herunter rutscht. Na super! Wie teuer waren doch gleich Servierten im Sonderangebot? 49 Cent? Auf jeden Fall deutlich unter einem Euro und in einer Preisklasse, dass die Anschaffung derselben einen Clubbetreiber nicht in die Insolvenz treibt. Na ja, aber die Tücher passen zumindest ins Clubkonzept, denn auf den Toiletten liegen Küchenrollen zum Abtrocknen bereit (warum man nicht die Küchenrollen zum Essen und die Kleenex-Tücher auf die Toiletten legt wird mir auch immer ein Rätsel bleiben …).

Nach dem Essen zeigt mir der Süße den restlichen Club.
An den Buffetraum schließt sich ein Trakt Spielräume an. Zunächst sehe ich hier eine große Mattenlandschaft mit einer Art Hochbett. Dahinter findet sich ein schön dekorierter Teil: ein übergroßes Bett, das durch eine Art Gitter und viele Tücher zu einer Art Himmelbett im orientalischen Stil verwandelt wurde, daneben eine Mischung aus Hütte und Indianerzelt, ähnlich wie das Himmelbett dekoriert.
Wieder dahinter schließt sich ein weiterer Raum mit mehreren Matten an. Soll wohl ein Darkroom sein. Insgesamt finde ich’s im Spielbereich schon sehr kalt, aber der Darkroom geht gar nicht. Schade, denn hier wird schon gespielt und dark mögen wir’s beide.
Aber so gehen wir erst einmal weiter und der Süße zeigt mir das Zimmer mit dem Wasserbett, den Duschbereich, die Dampfsauna – nix für meine Schminke – und den kleinen nett gemachten, SM-Bereich, leider nur mit einer sehr kleinen Liegefläche.
Und das war auch schon der gesamte Club; kleiner als ich vermutet habe! Früher gab’s mal mehr Räume, die aber jetzt zu dieser Kneipe geworden sind. Vermutlich bringt die Miete mehr ein. Bei allem Verständnis für die Betreiber: Ich find’s trotzdem zu klein!

Wir begeben uns zur Bar, die – aufgrund ihrer Größe, Aufteilung und Dekoration – sehr gemütlich wirkt. Wir entschließen uns, unsere Getränke (ja, es sind Gläser wie im Swingerclub üblich, also klein, aber wir haben in ähnlichen Etablissements schon kleinere gesehen) im Liegen einzunehmen.
Neben uns sitzt ein Paar, das auch gerade schon beim Essen einen Tisch in unserer Nähe hatte und sich bei uns erkundigt hatte, wo es etwas zu trinken gibt. Er erinnert mich an einen ehemaligen Bekannten und ich beginne, dem Süßen eine Geschichte über eben diesen Bekannten zu erzählen, die der Süße nicht ganz versteht und bei der ich nun auch nicht mehr weiß, wo die Pointe ist und warum ich die Geschichte überhaupt erzählen wollte. Ach ja, der Mann von dem Paar da drüben sieht ja aus wie …
Der Paarmann fällt in der Zwischenzeit durch ständiges Schauen in meine Richtung auf. Suspekt, da wir direkt an der Wand sitzen, aber es sei ihm unbenommen. Ein paar Minuten später beginnt sie an ihm zu blasen, wobei uns die komische Sitzhaltung der beiden auffällt, bei der er sie eher abhält als einlädt. So lässt sie auch bald von ihm ab, aber nur kurz, um ihn dann zu reiten. Wirkt alles äußerst mechanisch. Ist ihnen das Gefühl füreinander irgendwann abhanden gekommen oder war da nie etwas?
Wir haben ausgetrunken und wir wollen jetzt das Wasserbett ausprobieren. Leider ist es besetzt; das Paar von eben aus der Umkleide residiert hier. Hier ist kein Platz mehr für uns!
Somit schauen wir uns den hinteren Teil noch mal an. Immer noch so kalt wie zuvor. Dennoch wird im Darkroom immer noch gespielt. Respekt vor diesem Kälte-/Wärmeempfinden!

Bei uns wird’s das Himmelbett. Nachdem wir den üblichen „Wie doof ist das denn“-Solo vertrieben haben, wird’s dort richtig nett. Irgendwann gesellen sich irgendwelche Leute um das Bett, richtig bekomme ich nicht mit, wer da wo steht, ich höre nur Geraschel und Flüstern. Irgendwann fragt irgendwer ob er dazu kommen darf.
Ich hab’s wohl nur unterbewusst mitbekommen; der Süße muss mich erst anticken, damit ich mich angesprochen fühle. Ob nun noch wer das Bett nutzt oder nicht, ist mir eigentlich ziemlich egal. Schließlich ist es groß genug und wie könnte ich irgendwem verbieten, irgendwelche Matten in einem Club, der nicht mal mir gehört, zu benutzen. Ich merke schon an meinen Gedankengängen, ich bin erst mal raus und muss mich neu erden. Meine Antwort zum Thema Mattenbenutzung fällt wohl ziemlich unbestimmt aus, jedenfalls begibt sich irgendwer auf das Bett und wühlt herum. Plötzlich habe ich dicht an dicht an meinem Rücken eine Frau liegen, die mir ihre Titten in selbigen drückt und an mir rumfummelt. So war das ja nun auf keinen Fall gedacht. Ich mag’s nicht, versuche irgendwie, den Süßen in die Mitte zu nehmen, was nicht so recht klappt. Nach einiger Zeit verabschiedet sich die Dame jedenfalls wieder unverrichteter Dinge.
Wir verrichten weiter, ich tauche wieder ein, und wir lassen uns viel Zeit dazu, sehr viel Zeit. Wie war das neulich noch in dem Swingergespräch, das wir am Rande mitbekommen haben? Verschiedene Dinge gehören nicht in einen Club? Für uns gehört alles in einen Club, was uns beiden gefällt und keinen anderen belästigt. Und wir mögen’s eben langsam!
Nach viel, viel Zeit kommen wieder Leute dazu, die außerhalb des Betts stehen bleiben. Ist das nicht sogar die Frau von eben? Diesmal hat sie begriffen, wer von uns beiden in die Mitte genommen wird und wir spielen beide eine Zeit lang mit dem Süßen. Die Frau (übrigens die eben in der Bar mit ihrem Begleiter gespielt hatte) verabschiedet sich, aber es dauert noch sehr lange, bis der Süße und ich uns voneinander losreißen können und wir in den Barbereich zurückkehren.

Leer ist es geworden im Club. Dabei war es doch den gesamten Abend über nie richtig voll!
Wir wollen noch einen Nachtisch am Buffet nehmen. Hier sind tatsächlich noch Leute. Am Nachbartisch sitzt ein Paar zusammen mit einem Einzelherrn. Zunächst klingt ihre Unterhaltung nach normalem Swingertalk – nervig für Außenstehende, aber jeder Swinger übt sich wohl darin dann und wann; wir können das z. B. hin und wieder auch mal ganz gut.
Als wir uns gesetzt haben, kriegen wir aber schnell mit, dass das Paar deutlich angeschickert ist, besonders der Paarmann. Er erklärt dem Solo gerade, dass es für die beiden an diesem Abend ein „ganz normaler Abend, ganz locker“ sei. Normalerweise aber würde man sich mit so Leuten gar nicht abgeben, denn „wenn wir mal wenig Geld haben“ werde die Paardame für „300 Euro“ an „Männer abgegeben“. Und „ohne Geld läuft gar nichts“. Der Paarmann möchte gerne wie Mann von Welt scheinen, a la Geschäftsmann mit edler Dame an seiner Seite, für die andere sogar zahlen. Aber der Alkohol entlarvt ihn und zeigt, was er wirklich ist: ein Proll mit zeitweiligen Geldsorgen, der mehr scheinen will als er ist. Die dauernden Wiederholungen von „unter 300 Euro läuft gar nichts“ und „die rennen uns die Bude ein“ machen’s auch nicht wirklich besser.
Der Solo löst die Sache ganz gut. Er fragt den Typ, was er den nun will, ob er ein Angebot erwarte oder ob er sich einfach nur mal wichtig machen wolle. Der Paarmann weiß keine gute Antwort und der Solo bricht das Gespräch ab.
Nun folgt Akt zwei des Stücks unter der Überschrift „Frau regt sich über betrunkenen Mann auf“. Sie fragt ihn wortreich und mehrfach wie er denn nur „unser Geheimnis“ verraten konnte. Worauf er verkündet, dass sie doch seine „kleine Edelnutte“ (Haha, ist es gestattet, dass ich am Rade mal ein bisschen kichere? Edelhuren lassen sich doch wohl kaum mit solchen Un-Edelprolls ein und haben dann doch ein bissl andere Tarife …) sei und dieser Abend „ganz locker“ sei. Ihrem Wunsch, doch mal endlich aufzuhören, kommt er nicht nach, wie wahrscheinlich immer und wahrscheinlich wird es auch nichts bringen, wenn sie ihn am nächsten Tag darum bitten wird, nicht immer so viel zu trinken und sich dann daneben zu benehmen.
Die arme Frau! Kein schönes Zwischenspiel. Wir fühlen uns an wen erinnert, an den wir überhaupt nicht mehr erinnert werden wollen und verabschieden uns aus dieser Situation an die Bar. Hier sitzen noch zwei Solos; wir nehmen noch ein letztes Getränk und lassen uns den Schlüssel geben.
Während wir in die Umkleide gehen, sehen wir das Paar von eben, das sich wortreich von den Betreibern, mit denen sie auf du und du sind, verabschiedet. Er hat sich halbwegs gefangen, und auch sie hält die Fassade wieder einigermaßen aufrecht.
Gut, dass sie vor uns und nicht mit uns gehen. Gut, dass wir mit solchen Leuten nichts weiter zu tun haben!

Vor dem Club steht die angetrunkene Dorfjugend aus den angrenzenden Häuseransammlungen, die gerade aus der Kneipe kommt.
Es ist noch nicht mal zwei. Komischer Abend, obwohl – wir mussten gar nicht lachen!

23.09.07

 

Bewertung nach Schulnoten von 1 – sehr gut – bis 5 – mangelhaft

  • Ambiente: 2
  • Sauberkeit: 1
  • Leute: 3
  • Stimmung: 3
  • Essen: 2
  • Preis/Leistung: 3
  • Visits: 3
  • Vote: go

 

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