Tanzparty

spesMittwochs wollen wir in diesen Club im Bergischen. Was stand da heute noch mal auf dem Programm? Ah ja, geöffnet – klar – mit Disco.

Wir parken am falschen Eingang, müssen außen herum laufen und treten ein. Schlager-Musik.
Na ja, einer der DJs hat hier eh ab und an mal derartige Ausfälle, dass man meinen könnte, er will die Tanzfläche eher leer als voll spielen. Vielleicht hat er also gerade mal wieder seine dollen fünf Minuten.

Wir ziehen uns um und beginnen den Aufenthalt in gewohnter Weise.
Schließlich finden wir uns an der Bar wieder. Immer noch Schlager-Musik, und zwar Hardcore-Schlager, also deutsch, mit überaus dümmlichen Texten und im Discofox-Takt.

Discofox-Takt … war da nicht … klar, heute ist Discofox-Party. Na, so ein Glück!

Jetzt setzen wir uns aber zumindest direkt an die Tanzfläche, um dem bunten Treiben bestmöglich zuschauen zu können – wenn wir denn schon mal da sind!

Zwei Paare tanzen. Die einen sind in den 60ern und geben ein hübsches Bild zusammen ab: beide sehr gepflegt, fürs Alter gut in Form. Tanzschul-Tanzschritte kann ich bei ihnen nicht aus machen, was aber durchaus ein positiver Aspekt ist. Sehr gut aufeinander eingespielt und sichtlich verliebt geben sie ein schönes Paar ab.
Dennoch umweht sie ein bissl der Spirit der 70er-Jahre-Swinger – beide mit goldenen Strings…
Wir überlegen wie die beiden es wohl damals schon haben krachen lassen und sind erfreut.
Übrigens liegen die beiden heute eindeutig im Altersschnitt. Um uns herum finden sich fast nur Leute, die gut auch meine Eltern sein könnten.

Das zweite Tanzpaar ist wohl um die Anfang 50, beleibter und hat eindeutig vor einiger Zeit einen Tanzkurs gemacht. Unverkennbar, wie sie sich auf die Schrittkombinationen konzentrieren. Dabei und aneinander haben sie aber eindeutig Spaß und sehen zusammen auch ganz nett aus.

Nun kommt ein deutlich jüngeres Paar – schätzungsweise Mitte 30 – auf die Tanzfläche. Beide sind sehr schlank und gestylt, schöne Menschen.
Als sie anfangen zu tanzen, machen sie den guten Eindruck aber direkt wieder kaputt: eindeutig fleißige Tanzschul-Besucher, Marke Goldstar-Kurs. Sie reihen eine Figur an die andere, sehen dabei aus, als hätten sie jeweils einen Stock im Hintern, bewegen sich knapp am Takt vorbei und schauen gar nicht unauffällig, ob auch jeder sie beobachtet.
Dazu scheinen sie die Musik noch wirklich toll zu finden.

Ja, die Musik. Weiterhin Schlager. Es gäbe ja hilfsweise noch weniger anstrengende Liedchen – eher in Richtung Pop – in passendem Takt. Der DJ spielt aber ausschließlich Wolle und Co. Vielleicht sollte man das hier besser Schlager-Party nennen?

Die Goldstar-Tänzer haben immer noch nicht alle Figuren durch. Wissen die eigentlich, wie unerotisch die sind? Deren Tanzen in allen Ehren, aber diese Beifall heischenden Blicke…
Ich glaube, alle Goldstar-Tänzer sind so!

Mag überhaupt jemand Goldstar-Tanzkurs-Besucher? Wir jedenfalls nicht unbedingt. Und – hatte ich das schon erwähnt? – Schlagermusik muss auch nicht wirklich sein!

Ne, dann lieber die Goldstrings oder die beiden mit den schönen Namen. Die tanzen wenigstens für sich und nicht zu Showzwecken, machen dabei aber eine bessere Show als die Goldstars.
Süßer, wenn wir diesen beiden gleich in einem Spielraum begegnen, wäre es mir lieber, wenn wir in einen anderen Raum auswichen … Hättest du eh so gemacht? Fein, dann sind wir uns ja wieder mal einig.

Apropos Spielräume – da wollten wir ja auch noch hin.

Überall finden wir spielende Paare im Alter unserer Elterngeneration. Merke: Wenn man als Beinahe-Mittdreißigerin einen Raum betritt und einem „Huch, da iss ja ein junges Mädschen!“ entgegenschallt, ist irgendwas mit dem Altersdurchschnitt anders als sonst! Öhm …. hatte ich erwähnt, dass hier alle so fürchterlich bergisch reden? Stimmt, mag dran liegen, dass wir uns hier im Bergischen befinden.

Wir ziehen uns in die Paare-Ecke zurück. Auf der Spielfläche außerhalb dieses Bereichs liegt ein Knäuel aus Mädschen-Ruferin, ihrem Mann und einem Typ, der entweder zum Haus gehört oder einen seltsamen Fetisch pflegt – oder beides. Er ist – überhaupt nicht Clubtypisch – wie ein Arzt oder Masseur mit langer Hose und Polo-Shirt ganz in weiß gekleidet und hat ein Köfferchen dabei. Na ja, ein Knäuel ist es eigentlich nicht, aber ein besserer Begriff fällt mir nicht ein. Die Frau liegt in den Armen ihres Partners, der Mann in weiß kniet irgendwie davor und befingert sie, was die Dame mit zustimmenden Lauten quittiert.

Wir vergessen inzwischen alles und jeden um uns herum und kriegen erst wieder mit, dass die Frau ihrem Mann mitteilt, dass es nun auch Zeit geworden sei, dass der Herr in weiß sich zurück gezogen hat, da sie langsam keine Lust mehr habe. Ihr Partner geht nur in so fern darauf ein, dass er sich erfreut darüber äußert, wie oft es „wutsch“ gemacht habe und ihr daraufhin aus seinem Leben erzählt, welches sie aber schon zu kennen scheint.
Die Etagenbeschallung dauert nicht mehr allzu lang, die beiden verziehen sich nach unten.

Wir bleiben oben, sind kurz durch das „Wutsch“ aus dem Konzept, fassen uns aber bald wieder und haben eine kurze Begegnung mit einem Paar. Zum Schluss teilt sie mir flüsternd mit, dass es nach einem besseren Kennenlernen „mehr“ gäbe. Aha. Komische Ansage!

Unten gibt’s noch ein Getränk. Die Goldstars sind nicht mehr zu sehen. Anscheinend haben sie sämtliche Figuren durchgetanzt und keinen Grund mehr, noch zu bleiben. Wir haben an sich auch keine Veranlassung mehr, noch weiter an der Bar zu sitzen und gehen erneut durch die Räume. Wieder lockt ein Paare-Bereich.
Das Paar von eben kommt nach kurzer Zeit dazu, wohl um uns näher kennen zu lernen, aber wir bleiben nicht mehr lange bei ihnen. Der Raum gegenüber wird frei und den mögen wir besonders wegen einer Art Kran mit eingehängter Spreizstange, an der man die Beine befestigen kann. Fast wie eine Art Schlingertisch!
Mich lässt so was an Kur und Entspannung denken und ist auch sehr entspannend, obwohl etwas martialisch aussehend.

Eine allein herumlaufende Frau schaut ein bisschen zu, schlendert jedoch weiter als sie einen Bekannten sieht. Große Begrüßung mit Küsschen und „Spatzi“ hin und „Schatzel“ her.
Man sei sich ja länger nicht begegnet. Obwohl – der Mann von „Spatzi“ frequentiere diesen Club ja sehr gerne und sie selbst sowieso. So habe jeder seins: Der Gatte, der – im Vertrauen gesagt – ja schon seit zehn Jahren impotent sei und sich an der Bar die „netten Mädels“ ansähe und sie selbst auch. Warum sagt sie nicht und überlässt es unserer Phantasie, ob sie sich gar durch die Gruppen alleinstehender Herren fickt oder doch lieber plaudernd in Spielräumen sitzt.
Zu Letzterem lässt man sich nun anscheinend nieder, spricht etwas leiser und wir können das Gespräch als Hintergrundsummen überhören.

Aufmerksam werde ich erst wieder durch ein:“Isch lass‘ mich ja verbrennen.“ Ich muss mir das Lachen verbeißen. Dass die Hausdamen hier gerne über Krankheiten reden, ok, wir haben uns daran gewöhnt, aber dass ältere Swinger über Beerdigungen reden … – geht eigentlich noch mehr Klischee? Und so alt, dass zu befürchten ist, dass sie heute nicht mehr heile nach Hause kommen, sind sie eigentlich gar nicht.
Das Thema scheint aber beide zu interessieren. Sie sprechen ausführlich über Feuer- und Erdbestattung, die verschiedenen Möglichkeiten der Grabpflege und Sterbeversicherungen. Dabei reden sie sich in Rage und werden immer lauter. Ich lese in letzter Zeit häufiger im Bestatterweblog – die Jahreszeit samt Regenwetter macht wohl Lust auf Morbides – und könnte daher sogar auch das ein oder andere zum Thema beitragen. Mag ich jetzt aber nicht, sondern ich konzentriere mich lieber auf uns.

Als wir erneut zur Bar kommen, macht der Club fast schon wieder zu. Wir gehören hier fast immer zu den Letzten, ansonsten bleiben aber viel mehr Leute bis zum Schluss. Na ja, die älteren Leute wollen vielleicht früh schlafen gehen.

Zu Hause werfen wir noch einen Blick auf die Clubhomepage. Tatsächlich wird nur auf Discofox hingewiesen, nicht, dass der Abend sich an ältere Swinger richtet oder so. Komisch, dass sie sich dadurch anscheinend besonders locken lassen.
Bleibt nur zu hoffen, dass Swingerclubs in zwanzig Jahren etwas weiter denken und Seniorenabende zu House- oder Technomusik anbieten. Dann kommen wir gern!

18.03.08

 

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