manche türen sind sinnvoll

froschneine kapitale voller leben – nicht allzuweit entfernt, doch nicht mehr im lande. hierher trieb es schon mehrfach zu touristischen zwecken. das meint weniger stadtrundfahrten, als vielmehr erkundigungen auf einene faust vor ort. im normalfall verbinden wir derartige ausflüge gern mit besuchen regionaler clubs; wir waren hier allerdings auch schon ohne derartige ansinnen unterwegs.
diesmal jedoch lockt uns ein date. das paar hatte vorgeschlagen, gemeinsam einen nicht-öffentlichen club in der kapitale zu besuchen. solcher art etablissement ist uns gänzlich unbekannt und wir entscheiden, dass alle theorie grau und somit die evaluation vor ort notwendig ist.
wir versuchen uns im www, um details über das bevorstehende zu erfahren. indes bleibt es beim versuch – die findbaren informationen sind spärlichst und bestehen fast ausschließlich aus gesuchen zwecks dortiger besuche.
wir fahren hin und treffen das bewusste paar in einem café – etwa 50 meter vom club entfernt und mitten in der stadt.
wir trinken etwas, das gespräch ist flüssig, man ist sich sympathisch und die luft knistert. einem besuch in diesem club steht nichts im wege und so machen wir uns auf den nicht wirklich weiten fußweg. wir kommen an einer polizeiwache vorbei – mit hübschen einschusslöchern in der panzerverglasung. handfestere auseinandersetzungen sind dieser gegend augenscheinlich nicht völlig fremd.
etwas weiter dann kommen wir an einen altbau; ein schaufenster stellt antiquarische instrumente meist nautischer art aus. das schaufenster erweist sich als reine tarnung als wir uns in den daneben befindlichen tiefen hauseingang drücken, hinter dem ein enger gang auf uns wartet. im gang weitere schaufenster mit altem zeug – und eine tür.
selbige wird uns aufgetan, wir werden von unserem date vorgestellt und betreten ein anscheinend drittklassiges hotel – in französischer entsprechung: ein 2 sterne hotel in der nähe des place pigalle.
der wächter der tür entpuppt sich als der betreiber der lasterhöhle – dummerweise sind wir außerstande, uns mit ihm direkt zu verständigen. wir können leider nur leidlich english, ein bisschen die nördliche landessprache und deutsch. er hingegen parliert ausschließlich im idiom des landessüdens. unser date gibt den mittler. das scheint erfolggekrönt zu sein – wir werden zum landesüblichen identifikationsritual gebeten.
anschließend erklärt uns der betreiber mit hilfe unseres dates die spielregeln des hauses:

1) ohne begleitung eines einladenden und begleitenden paares kein zutritt
2) ohne weiterempfehlung des einladenden paares kein zweiter besuch
3) kein zweiter besuch aufgrund einer einladung des selben paares wie beim erstbesuch
4) ohne weiterempfehlung des zweiten einladenden paares kein antrag auf mitgliedschaft
5) ohne ‚absegnung‘ des antrags durch den betreiber keine mitgliedschaft
6) jedes mitgliedpaar muss jährlich mindestens zwei neue paare einladen, je besuch aber maximal eins – ansonsten erlischt die mitgliedschaft.
7) je person gibt es ein warmgericht von der karte – und zwar dann, wenn die personalunion aus betreiber, türwächter, barkeeper und koch es zubereitet hat
8) je person gibt es eine bestimmte anzahl alkoholmarken; hat man keine marken mehr, wird es alkoholfrei. die alkoholika erfordern 1 – 3 marken je getränk.

wir schlucken unseren aufkommenden ärger ob der gängelei herunter. jetzt sind wir da, jetzt schauen wir’s uns auch an … selbst für die geforderten knapp 90 euro.
ein überaus gewöhnungsbedürftiger einstieg.

wir entrichten den obolos und werden vom betreiber nun sehr nett für alle weiteren fragen an unser date verwiesen – schließlich seien die beiden ja die gastgeber. er müsse leider fort, seine diversen rollen im club ausfüllen da seine freundin sauer auf ihn sei und daher an diesem abend nicht mithälfe. wir müssen grinsen – erst die peitsche, dann das zuckerbrot. eine interessante variante.

wir betreten den club durch einen gang neben einem miniatur-pool – und sind sprachlos. ein riesiger naturlichtraum von bestimmt 10 metern höhe liegt vor uns. darin die bar, die tanzfläche, wenige sitzgelegenheiten an wenigen tischen, ein obst-gemüse-buffet. jede menge brennender kerzen, viele spiegel, alles voller tücher. altgetäfelt. überall angebrachte weitere spiegel, instrumente, bilder, tücher, lüster, lampen … über die gesamte raumhöhe ein trödelmarkt. verändert man seinen standpunkt im raum, verändert sich der blickwinkel – und man entdeckt neue facetten, während andere verblassen. ähnliches entdeckten wir noch nie, nicht einmal ansatzweise.
uns fallen dazu sleepy hollow, sweeny todd oder auch allgemein gothic ein. skurril – aber durchaus anheimelnd.
wir folgen unserem date zu den umkleiden, um unsere sachen zu verstauen. wie hier üblich, kommt das cluboutfit erst später zum zuge. zu den umkleiden geht es über treppen hinauf zu treppen hinab, durch gewundene gänge an sehr einladenden spielflächen vorbei. unterwegs erzählt uns unser date, dass der betreiber ein sehr vermögender antiquitätenliebhaber sei, der mitten in der kapitale 2 nebeneinanderliegende altbauten kaufte und durch u.a. wegreißen einer tragenden außenwand und der daran grenzenden drei deckenböden den innenraum von eben schuf und als lichthof gestaltete. er erwerbe andauernd neue alte dinge, die er umgehend in seinen club einbaue – weshalb dieser sich dauernd verändere. erst unlängst habe er dutzende alter jugendstil-türen erworben und mit denen einen raum oben „tapeziert“ – deren schlüssel aber überall auf jener etage verteilt aufgehängt. periodisch schlösse er auch für mehrere monate, um zu putzen und größere neuerwerbungen anzubringen.

wir machen uns auf den weg durch den weiteren club. im keller findet sich ein gut ausgebautes sm-studio. leider ist die deckenhöhe eher eine deckentiefe – über 1,80 m große menschen handeln sich haltungsschäden ein.
wir kraxeln die enge stiege hinauf in die verwinkelten obergeschosse. dort finden wir unter anderem einen whirlpool und die dusche. wobei … dusche??? es handelt sich eher um ein steinensemble auf boden und wänden. zu den duschen in steampunk-design selbst führen trittsteine wie im garten. später werden wir feststellen, dass die duschköpfe farbig leuchten und den raum vollends von dem entfernen, was gemeinhin als dusche bezeichnet wird; immerhin aber wird man bei gebrauch ebenfalls nass.
überall kleinere und größere spielflächen – ein sammelsurium von skurrilitäten. von fast überall schaut man in den großen innenraum – viele spielzimmer erinnern an in diesen raum hineinragende loggias.
in einem raum finden wir eine ente – citroen 2cv. die ist zwar zum spielplatz umgebaut, aber eindeutig echt. wir sinnieren über den transport des fahrzeugs bis zu diesem zielort, finden aber keine einfachen möglichkeiten dazu. mutmaßlich wurde der wagen in seine einzelteile zerlegt und dann stück für stück nach oben getragen, um da wiederzusammengebaut zu werden.
auch auf den spielflächen rückt jede standortveränderung den fokus auf andere details.
hier ist nichts zufällig – auch wenn es nach chaos aussieht. mit ungeheurer detailverliebtheit hat sich der betreiber sein eigenes swingeruniversum erschaffen.

zeit, etwa zu uns zu nehmen, uns umzuziehen und dem abend seinen lauf zu lassen. wieder im innenhof naschen wir u.a. karottensticks in pommes-form mit sehr pikanten saucen, trinken einen wein und unterhalten uns mit unserem date. sie machen uns unmissverständlich klar, dass wir auch zu anderen kontakt suchen sollen, sofern uns der club gefällt. sie selber würden ja künftig als einladende entfallen und so müssten wir eben selbst kontakte machen; sie würden aber gern unterstützend tätig, indem sie uns beispielsweise anderen vorstellten. das fiel uns unmittelbar beim herunterkommen in den nun wesentlich volleren hauptraum deutlich auf: es gibt keinerlei grüppchenbildung. alle sind an allen interessiert, kontakte ergeben sich sofort. es herrscht eine nie zuvor gesehene kontaktanbahnungshemmungslosigkeit. die strengen regeln des hauses trennen tatsächlich die swingerspreu vom -weizen und sorgen für eine echte verwirbelung der protagonisten.
über die physischen aspekte des abends schweigen wir und geben nur zu, dass es ungeheuer spannend war und eine selten erlebte offenheit zelebriert wurde.

chapeau – wir werden wiederkommen.

 

08.12.2011

 

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